Montag, 25. September 2000

Kommunen im Wettbewerb - Staat und Gemeinde als Konkurrenten der Privatwirtschaft



Teil 2 eines Vortrag von Klaus-Michael Rothe, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin, auf der Tagung „Kommunen im Wettbewerb“ im Rahmen der vierten Greifswalder Verwaltungsfachtage an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald im September 2000 [Teil 1]




Wir als IHK zu Schwerin wissen, dass ein Beharren beider Seiten - der kommunalen wie der Wirtschaftsseite - auf der jeweils eigenen Maximalposition sicherlich nicht durchsetzbar sein wird. Die zunehmende Belastung kommunaler Finanzen durch zusätzlich zu erbringende Aufgaben, durch Kostenexplosionen z.B. im Bereich der Sozialhilfe, führen teilweise zu einer erheblichen Unterdeckung der Haushalte. Unpopuläre Maßnahmen sind auf der Einnahmeseite die Anhebung der Steuern, Gebühren und Abgaben. Zudem scheinen klassische Vollkostenrechnungen zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten einer Amtshandlung jedoch nach wie vor Mangelware. Kostensteigerungen für eine Vielzahl von Amtshandlungen scheinen daher aus Sicht der IHK zu Schwerin daher unumgänglich.

Was wir vor dem Hintergrund der Debatte um die wirtschaftliche Betätigung der öffentliche n Hand benötigen, ist auf allen Seiten eine neue pragmatisch-politische Perspektive. Diese hat zu berücksichtigen das dargelegte Steuerstaatssystem, die kurz- und mittelfristige Haushaltslage der Kommunen sowie vor dem Hintergrund der europaweiten Liberalisierungstendenzen die mögliche Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit kommunaler Unternehmen in bisher monopolistischen Märkten. Denn insbesondere die bisherigen Strukturen der klassischen Daseinsvorsorge der Kommunen in den Bereichen Wasser, Abwasser, Energie und ÖPNV stehen auch auf dem europaweiten Prüfstand.

Nach der Liberalisierung der Telekommunikationsdienstleistungen sowie der Bereiche Post und Bahn zeigte insbesondere die Strommarktliberalisierung den enormen Druck auf kommunale Anbieter. Für die gewerbliche wie auch privaten Verbraucher zahlte sich diese Liberalisierung bisher aus. Die Kosten der Telekommunikationsdienstleistungen sind drastisch gesunken, bei den Strompreisen sind Abschläge zwischen 20 und 50% zu beobachten. Damit ist zweierlei verbunden: Zum einen entfällt das gerne von den Kommunen verwandte Argument, das Angebot öffentlicher Wirtschaftsleistungen sichere günstige Preise. Zum anderen werden die Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung der öffentliche n Hand deutlich aufgezeigt. Waren früher die Kunden der Stadtwerke „ gefangene Kunden “ aufgrund des Abnahmezwanges durch das Regionalversorgerprinzip, so sind nun umgekehrt die Stadtwerke gefangen durch das kommunalverfassungsrechtliche Territorialitätsprinzip. Die Bindung an die Kommunen verhindert ein Ausweiten des eigenen Engagements in räumlicher Sicht.

Das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern hatte auf diese Situation, nicht zuletzt auch aktiv unterstützt durch die IHK zu Schwerin, im Herbst letzten Jahres reagiert. Aufgrund eines Erlasses zur Interpretation und Auslegung der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern dürfen die hiesigen Stadtwerke im Bereich des Stroms auch Kunden außerhalb des eigentlichen Versorgungsgebietes beliefern. Doch diese Interpretation erscheint lediglich quasi als Krücke. Vor dem Hintergrund der ersten Erfahrungen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in bisher monopolisierten Märkten muss auch die regionale Erweiterung aus Rentabilitätsgründen oder zum Erreichen von kosteneffizienten Betriebsgrößen offen diskutiert werden. Die aktuell um die Anteile der BEWAG vor den Gerichten ausgetragene Auseinandersetzung zeigt die Dramatik und wohl auch den Trend auf. Der Marktzwang zur Größe ergreift die betroffenen Unternehmen. Preussag / HEW / Vattenfall und dann die BEWAG mit den Anteilen an dem ostdeutschen Braunkohleverstromer VEAG wollen durch Marktdominanz und Größe ihr Überleben sichern. Ein „ Stadtwerkesterben “ in Deutschland erscheint angesichts der Größe und der damit verbundenen Marktmacht der Konkurrenten unausweichlich.

Nur: Auf der Strecke geblieben ist bei der zu beobachtenden Erweiterung der regionalen Betätigungsfelder kommunaler Unternehmen die allgemeine und auch rechtliche Begründung zur überregionalen wirtschaftlichen Betätigung. Eine herkömmliche Form der Randnutzung oder Annex-Tätigkeit ist bei den Erweiterungs- und Fusionsbestrebungen einiger kommunaler Unternehmen nicht mehr zu erkennen. In dieser Frage besteht daher ein akuter Handlungs- und Regelungsbedarf durch den Bundes- und Landesgesetzgeber. Soll z.B. die regionale Ausweitung der Tätigkeiten kommunaler Unternehmen de lege ferenda erlaubt werden, ist aus der Sicht der IHK zu Schwerin bzw. der Wirtschaft die Frage nach der Gewährträgerhaftung zu klären. Eine mögliche Belastung der Steuerzahler allein am Sitz der kommunalen Gesellschaft ist nicht hinnehmbar.

Neben dem Strommarkt gewinnt nun auch die Liberalisierung des Gasmarktes seit dem 10. August 2000 an Bedeutung. Öffentlich diskutiert wird zudem die Pflicht zur Privatisierung des ÖPNV seit der geplanten Neufassung der „ EU-Transparenzrichtlinie “. Erkennbar ist eine europaweite Liberalisierungsbewegung , die auf die Stadtwerke zukommt. Dies hängt nicht nur mit der bisherigen erfolgreichen Marktöffnung öffentlicher Unternehmen zusammen. Denn in das Visier der EU-Wettbewerbshüter sind die staatsnahen Unternehmen aufgrund der Einleitung einer Fülle von Prüfverfahren geraten. Gemeinsamer Prüfgegenstand durch die EU-Kommission ist immer die Frage der Chancengleichheit der am Wettbewerb beteiligten öffentlichen und privaten Unternehmen. Öffentliche Zuschüsse, Steuerbefreiungen oder andere Vorteile wie die der Quersubventionierung erfüllen nach Ansicht der EU-Kommission schon als solche den Tatbestand der Wettbewerbsverzerrung. U.a. mit der EU-Transparenzrichtlinie soll daher nur die Chancengleichheit zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen wieder hergestellt werden. Bereits jetzt deckt diese EU-Transparenzrichtlinie auf, dass die übliche stadtwerksinterne Quersubventionierung beim ÖPNV 20% und mehr beträgt. Dies hat zur Folge, dass nach Auslaufen der befristeten Genehmigungen zum Betrieb des ÖPNV diese Leistungen durch die Kommunen öffentlich auszuschreiben sind. Mindestens 40 Städte in Deutschland mit einem Querverbundsystem - bzw. der daraus resultierenden Quersubventionierung - sind davon betroffen.

Kommunen und spezielle Verbände laufen bereits mit der (falschen) Behauptung Sturm, die Grundfesten der Daseinsvorsorge würden erschüttert. Gewerkschaften warnen vor Billiganbietern mit Dumpinglöhnen. Die deutschen Länder vertreten die Auffassung, nur Leistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse unterlägen dem Wettbewerbsrecht während Leistungen der Daseinsvorsorge eine schützenswerte Sonderrolle einnähmen.

Zudem sollen neben Leistungen privater Unternehmen, die nicht flächendeckend, nicht in ausreichender Qualität oder zu nicht angemessenen Preisen angeboten werden, öffentliche Unternehmen weiterhin tätig sein. Diese Argumentation der öffentliche n Hand verkennt nach Überzeugung der IHK zu Schwerin jedoch den eigentlichen Sinn des Wettbewerbsrechts und des Nebeneinanders öffentlicher und subventionierter Unternehmen einerseits sowie andererseits privater Unternehmen. Wenn und soweit öffentliche Unternehmen subventionserhebliche Vorteile erhalten und auf dem Markt zu privaten Unternehmen mit der gleichen Leistung in Konkurrenz treten, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor. Ob Leistungen der Daseinsvorsorge im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegen, oder eine schützenswerte Sonderrolle einnehmen, ist hingegen ohne Belang.

weiter mit Teil 3 
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Der vorstehend wiedergegebene Vortrag des Hauptgeschäftsführers der IHK zu Schwerin, Klaus-Michael Rothe, ist Teil der Dokumentation der Tagung „ Kommunen im Wettbewerb “ anlässlich der vierten Greifswalder Verwaltungsrechtstage vom September 2000 an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald. (Rothe, Klaus-Michael: Kommunen im Wettbewerb - Staat und Gemeinde als Konkurrent der Privatwirtschaft. In: Wallerath, Maximilian (Hg.), Kommunen im Wettbewerb. Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2001, S. 43 - 50).


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