Samstag, 3. Mai 2014

Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung - Zur Arbeit der IHKs (1.Teil)



von Klaus-Michael Rothe, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin

(Erster Teil von zwei Teilen aus: Rothe, Klaus-Michael: Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung - Zur Arbeit der IHKs. In: Zum mercklichen Vortheil des Publici... Aus der Geschichte der Industrie- und Handelskammern Neubrandenburg, Rostock und Schwerin. 1. Aufl. Rostock: Verlag Redieck & Schade, 2003, S. 345 - 353) 


A. Was sind Industrie- und Handelskammern


1. Organisationsform

Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) sind Körperschaft en des öffentlichen Rechts, in denen sich die Wirtschaft zur eigenen Interessenvertretung und zur Regelung an sich staatlicher, jedoch wirtschaftsnaher Aufgaben selbst organisiert. Das oberste Gremium der IHK ist die von allen IHK zugehörigen Unternehmen gewählte Vollversammlung mit dem Präsidium an der Spitze. Die Mitglieder in Vollversammlung und Präsidium sind ausschließlich Unternehmer/innen oder Unternehmensvertreter/innen. Sie werden regelmäßig von allen IHK zugehörigen Unternehmen des jeweiligen IHK Bezirkes gewählt. Mecklenburg-Vorpommern hat je eine Industrie und Handelskammer in Schwerin, in Rostock und in Neubrandenburg sowie je eine Handwerkskammer in Schwerin und Rostock. Hinzu kommen jeweils eine landesweit für ganz Mecklenburg-Vorpommern tätige Architektenkammer, Ingenieurkammer, Apothekerkammer, Ärztekammer, Zahnärztekammer, Tierärztekammer, Steuerberaterkammer sowie die Rechtsanwalts- und Notarkammer - alle mit Sitz in der Landeshauptstadt Schwerin.

Hinter dem Kammersystem steht die Tatsache, dass die Selbstorganisation der Wirtschaft, des Handwerks und der freien Berufe kompetenter, wirksamer, preisgünstiger und unkomplizierter ist als eine staatliche Wirtschaftsverwaltung es sein könnte. Die über 3.700 ehrenamtlich, also unentgeltlich (!), für die IHKs in Mecklenburg-Vorpommern aktiven Unternehmer/innen benötigen aber hauptamtlich tätige Mitarbeiter/innen zu ihrer Unterstützung, denn die ehrenamtlich arbeitenden Unternehmer/innen führen in erster Linie ihre eigenen Unternehmen. Unter der Leitung des Hauptgeschäftsführers und mehrerer für verschiedene Geschäftsbereiche zuständiger Geschäftsführer/innen erledigen deshalb die Mitarbeiter/innen der IHKs die Aufgaben zur ständigen Interessenvertretung der kammerzugehörigen Unternehmen und der Wirtschaftsförderung. Hinzu treten die Aufgaben, die der Staat den IHKs per Gesetz oder Verordnung als Wirtschaftsorganisationsaufgaben übertragen hat.


2. Grundlegende Aufgaben der IHKs: Interessenvertretung, Wirtschaftsförderung, Hoheitliche Aufgaben

„ Interessenvertreter der Wirtschaft - Ratgeber des Staates und der Unternehmen - Förderer der Wirtschaft “: Das ist die Kurzformel für die Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern. Diese Beschreibung zeigt, dass die IHKs wie ein Scharnier zwischen Unternehmen und Staat funktionieren. Denn die regionale Wirtschaft benötigt ein Kooperationsgeflecht und ein funktionierendes Netzwerk; das Getriebe hierfür sind die IHKs.

Als „ Interessenvertreter der Wirtschaft “ und als „ Ratgeber für Staat und Unternehmen “ sorgen die IHKs dafür, dass bei allen wirtschaftsrelevanten Entscheidungen von Verwaltung und Politik auf lokaler oder auf Landesebene, in Berlin oder Brüssel die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt werden. Weil alle Unternehmen der Region (außer den Handwerksbetrieben und den freien Berufen) Mitglieder der jeweiligen Industrie- und Handelskammer sind und ihre gewählten Vertreter/innen in die Vollversammlung entsenden, kann von der Kammer eine objektive und ausgewogene Wirtschaftspolitik formuliert werden. Die Meinungsbildung zu den unterschiedlichen Belangen der Wirtschaft z.B. im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern erfolgt in Zusammenarbeit mit den 3.700 in den Gremien und Ausschüssen der drei IHKs in M-V tätigen Unternehmensvertreter/innen sowie durch Befragungen und Kontakte zu den Mitgliedsunternehmen. Bei zahlreichen Punkten, die Einfluss auf die Wirtschaft haben, z.B. bei der Planung von Verkehrswegen, beim Entwurf von Förderrichtlinien oder zu Bauplanungen geben die Kammern gegenüber Verwaltung und Politik fachliche Gutachten und Stellungnahmen ab. Sie sind zudem für einzelne Unternehmen als objektive Gutachter tätig, wenn es z.B. um die Wahl der Firmierung, um Anträge für öffentliche Kredite und Fördermittel, die Auswahl von Unternehmensstandorten, um Anträge zur Unabkömmlichkeitsstellung von Arbeitnehmern vom Wehrdienst und um vieles mehr geht.

Als „ Förderer der Wirtschaft “ setzen sich die IHKs für die gesamte Wirtschaft der jeweiligen Region, für ganze Branchen wie auch für einzelne Unternehmen und für zukünftige Unternehmer ( Existenzgründer ) ein. Die Wirtschaftsförderung der Kammer funktioniert als Selbsthilfeorganisation der Unternehmer/innen selbst: Wo die wechselnden Schwerpunkte liegen, bestimmen allein die Unternehmen durch ihre Nachfrage bei der Kammer und durch Entscheidungen der von allen kammerzugehörige n Unternehmen gewählten Vollversammlungsmitglieder sowie des Präsidiums der IHK selbst.

Schwerpunkte der Wirtschaftsförderung der IHKs liegen insbesondere in der aktiven Einflussnahme auf die Verbesserung der Verkehrs-, Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, in der Bestandspflege der vorhandenen Unternehmen, in der betriebswirtschaftlichen Erstberatung, der Existenzgründerberatung, der Erteilung von Rechts- und Steuerauskünften, der Umwelt- und in der Innovationsberatung.

Zudem gewährleisten die IHKs in Deutschland die Ausbildung in den Unternehmen und sichern somit die Zukunftsfähigkeit der Betriebe. Und so kommen die meisten Bürger in Kontakt mit der Industrie- und Handelskammer, wenn es um die Ausbildung und Prüfungen in gewerblich-technischen sowie kaufmännischen IHK-Berufen geht. Zusammen mit den Unternehmen sorgt die IHK für die Ausbildungsfähigkeit und -eignung der Betriebe. Die IHK garantiert zugleich die Qualität der Ausbildungsinhalte und organisiert die theoretischen wie praktischen Zwischen- und Abschlussprüfunge n, die bundesweit anerkannt sind.

Die gesamte, weltweit vorbildliche deutsche Berufsausbildung wird in Deutschland von den Kammern mit ehrenamtlich er (d.h. unentgeltlicher!) Unterstützung der Unternehmen organisiert, ohne dass dafür ein staatlicher Verwaltungsapparat notwendig ist. In Mecklenburg-Vorpommern z.B. betreuen und organisieren die IHKs in Schwerin, Rostock und Neubrandenburg mit Hilfe von zur Zeit (2002) über 750 ehrenamtlichen Prüfungsausschüssen mit 3.100 ehrenamtlichen Prüfern/innen in über 110 verschiedenen Berufsbildern mehr als 30.000 Ausbildungsverhältnisse in ca. 5.000 Ausbildungsbetrieben. Jährlich führen die drei IHKs mit nur 37 hauptamtlichen Mitarbeitern/innen ihrer Geschäftsbereiche Aus- und Weiterbildung 22.500 Prüfungen durch. Über 230.000 Prüfung en haben die drei IHKs in Mecklenburg-Vorpommern zwischen 1991 und 2002 erfolgreich organisiert.


3. Aufgabenerfüllung im Auftrag des Staates

Die IHKs erfüllen mit allen ihren Tätigkeiten Aufgaben, die ihnen der Staat per Gesetz aufgegeben hat. Wichtigste Rechtsgrundlage ist dabei das Bundes IHK Gesetz ( IHK G ) vom 18. Dezember 1956. In seinem § 1 gibt das IHK G den IHKs den Auftrag, das Gesamtinteresse der Wirtschaft ausgleichend und abwägend zu vertreten und für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken:

Abs. 1: Die Industrie- und Handelskammern haben … die Aufgabe, das Gesamtinteresse der Ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihre Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der  gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen; dabei obliegt es  ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmannes zu wirken.

Abs. 2: Die Industrie- und Handelskammern können Anlagen und Einrichtungen , die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes, treffen.

Abs. 3: Den Industrie- und Handelskammern obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnisse n und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, soweit nicht Rechtsvorschriften diese Aufgaben anderen Stellen zuweisen.

Abs. 4: Weitere Aufgaben können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden. 

Sämtliche Aktivitäten der IHKs finden sich in diesem gesetzlichen Auftrag wieder: Auf der einen Seite nehmen sie durch ihre aktive Arbeit als „ Interessenvertreter der Wirtschaft “ und als „ Ratgeber für Staat und Unternehmen “ das Gesamtinteresse der Wirtschaft wahr, auf der anderen Seite wirken sie insbesondere durch ihr breites Dienstleistungsangebot als „ Förderer der Wirtschaft “. Hinzu kommen die zahlreichen hoheitlichen Aufgaben, die den IHKs durch das IHK Gesetz ( IHK G ) und durch weitere Gesetze, insbesondere das Berufsausbildungsgesetz ( BbiG ), übertragen wurden.

Von der grundsätzlichen Zielrichtung ihrer Arbeit ist die IHK somit an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden: Die Wahrnehmung des Gesamtinteresse s der gewerblichen Wirtschaft und die Förderung der Wirtschaft. Wie und durch welche Aktivitäten die IHKs dieser Verantwortung nachkommen, entscheiden sie jedoch selbst - durch die von allen Mitgliedern gewählten Unternehmer/innen und Unternehmensvertreter/innen in der Vollversammlung und im Präsidium. Öffentliche Aufgaben werden so effektiv in die Hände der betroffenen Unternehmen selbst gelegt: Selbstgestaltung durch gelebte Selbstverwaltung!


4. Struktur und interne Organisation der IHKs

Die IHKs sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen alle Unternehmen mit Ausnahme reiner Handwerksbetriebe angehören, wenn sie generell gewerbesteuerpflichtig sind. Unternehmen, die auch in der Handwerksrolle in dem Verzeichnis handwerksähnlichen Gewerke eingetragen sind, gehören mit ihrem nichthandwerklichen Betriebsteil der IHK an.

Die Aufgaben der IHKs werden von deren gesetzlich festgelegten Organen wahrgenommen. Das oberste Beschlussorgan ist die Vollversammlung, das “ Parlament der Wirtschaft “. Ihre Mitglieder sind Unternehmer/innen und Unternehmensvertreter/innen aus dem jeweiligen IHK Bezirk, die in regelmäßigen Abständen durch alle IHK zugehörigen Unternehmen per Briefwahl gewählt werden. Die verschiedenen Wirtschaftszweige sind in der Vollversammlung ihrer Bedeutung in dem jeweiligen IHK Bezirk entsprechend repräsentativ besetzt. Bei den Wahlen zur Vollversammlung hat jedes Unternehmen unabhängig von seiner Größe oder Mitarbeiterzahl eine Stimme und somit die gleiche Einflussmöglichkeit auf die Arbeit der IHK.

Als höchstes IHK Gremium bestimmt die Vollversammlung über die Richtlinien der Kammerarbeit und beschließt über alle Fragen, die von grundsätzlicher Bedeutung für die gewerbliche Wirtschaft oder die Arbeit der IHK sind. Insbesondere bestimmen die in der Vollversammlung vertretenen gewählten Unternehmer/innen und Unternehmensvertreter/innen über den Haushalt der IHK und damit über sämtliche Einnahmen und Ausgaben sowie über die Höhe der jährlichen IHK-Beiträge.

Aus ihrer Mitte wählt die Vollversammlung das Präsidium mit dem Präsidenten/der Präsidentin an der Spitze und mehreren Vizepräsidenten/innen, deren Anzahl in der Satzung der jeweiligen IHK festgelegt wird. Aufgabe des Präsidiums ist es, die Beratungen der Vollversammlung vorzubereiten und für die Durchführung der von der Vollversammlung gefassten Beschlüsse zu sorgen. Zudem ist der Präsident/die Präsidentin der /die oberste ehrenamtliche Vertreter/in der IHK zugehörigen Unternehmen und repräsentiert zusammen mit dem IHK Hauptgeschäftsführer die IHK nach außen. Dieses System gewährleistet eine demokratisch legitimierte und glaubwürdige Vertretung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung sowie in der Gesellschaft.

Neben dem Präsidium bestellt die Vollversammlung jeder IHK einen Hauptgeschäftsführer, der gemeinsam mit den anderen hauptamtlichen Mitarbeitern/innen für die laufenden Geschäfte der IHK, für die ständige Interessenvertretung der IHK zugehörigen Unternehmen und für die wirtschaftsfördernden Aufgaben der IHK verantwortlich ist. Ein unentbehrliches Bindeglied zwischen dem Hauptamt, der Vollversammlung und den Unternehmen sind die ebenfalls mit ehrenamtlichen Unternehmer/innen und Unternehmensvertretern/innen besetzten IHK Fachausschüsse und IHK Arbeitskreise. Sie werden zur Unterstützung von Vollversammlung, Präsidium und Geschäftsführung gebildet. Die Ausschüsse haben gegenüber den Entscheidungsorganen eine Beratungsfunktion für die Vollversammlung und die hauptamtlichen Mitarbeiter/innen. Sie gewährleisten, dass unternehmerischer Sachverstand und Praxisnähe unmittelbar in die Entscheidungs- und Arbeitsprozesse der IHK einfließen.

(Ende des ersten Teils von zwei Teilen „ Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung - Zur Arbeit der
IHKs “ von Klaus-Michael Rothe, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin. Aus: Rothe, Klaus-Michael: Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung - Zur Arbeit der IHKs. In: Zum mercklichen Vortheil des Publici... Aus der Geschichte der Industrie- und Handelskammern Neubrandenburg, Rostock und Schwerin. 1. Aufl. Rostock: Verlag Redieck & Schade, 2003, S. 345 – 353).

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